Moin Andreas, Norddeutschland ist nicht unbedingt bekannt dafür, Doom Bands hervorzubringen. Wie bist du denn zu dieser Musikrichtung gekommen?
"Ich weiß, dass die "Fischkopp"-Fraktion nicht unbedingt für ihre Doom-Szene bekannt ist, aber der Underground brodelt auch hier. SPIRIT DESCENT ist ja auch nicht meine erste Doom-Band, nicht einmal Cold Embrace, welches wohl die erfolgreichste Doom-Band aus dem hohen Norden ist, naja, zumindest bis 2008 war es auch die einzige nördlich von Hamburg. Zum Doom kommt man ja nicht einfach so nach dem Motto: "Eines Morgens nach seligem Schlaf wurde mir klar, ich muss doomen!" Es ist eher so, dass man dafür geboren sein muss. Weißt Du, die ganzen Speed-Fanatiker, welche den Sinn des Lebens darin sehen, noch mehr Bier zu trinken und zu noch schnellerer Mucke zu bangen war nie die Sparte Menschen, zu denen ich mich gezählt habe. Ich habe im Laufe der Jahre zwar diverse Gastspielreisen in thrashige bzw. todes-bleierne Gefilde hinter mich gebracht, aber letzten Endes bin ich dem Doom immer treu geblieben. Nach meinem mehr oder weniger freiwilligen Ausscheiden bei Cold Embrace gab es erstmal einen verdammt tiefen Fall, doch statt zu stagnieren und aufzugeben, habe ich mich hingesetzt und wurde produktiv. Andere dröhnen sich lieber zu und reden viel, wenn der Tag lang ist, das ist aber nicht mein Stil. Noch hat mir jemand zu verbieten, die Musik zu machen, die ich immer machen wollte, was zugegebener-maßen hier oben tatsächlich recht schwer ist. Es mangelt einfach an guten Musikern, die, wie gesagt, die Macht der Langsamkeit zu schätzen wissen. Es gibt hier aber ein verdammt großes Potential, und wenn dem Norddeutschen Doomnachwuchs mal jemand erklärt, dass der Erwerb eines Plattenspielers und kiloweise Gras nicht ausreicht, um in den Doomhimmel zu kommen, sind wir schon ein großes Stückchen weiter. Aber ich schweife ab: Als Mensch, der von Natur aus Stress und hohe Geschwindigkeiten hasst, lag das in der Natur der Dinge. Black Sabbath, Saint Vitus und Candlemass waren die Initialzündung, wie wohl bei jedem zweiten Doomhead, ist also gar nicht mal so unüblich."
Danke, dass du meine Theorie von der lethargischen Grundnatur des gemeinen Doomheads bestätigst. Zumindest sind wir etwas entspannter als der hektische Rest da draußen. Weil du es erwähnst, warum ging es nicht mehr bei Cold Embrace?
"Ich bin bei Cold Embrace, obwohl es ursprünglich meine Band war, ausgestiegen, weil es zwischenmenschlich einfach nicht mehr funktionierte. Zwei verschiedene Grundeinstellungen prallten aufeinander und da ich endlose Diskussionen und Monologe hasse, bin ich der Devise 'Der Klügere gibt nach!' gefolgt und habe mich verabschiedet. Und es geht mir, besonders durch SPIRIT DESCENT, verdammt gut, ich fühle mich frei und kann mich endlich wieder um meine Visionen kümmern, die bei CE im Laufe der Zeit doch arg gelitten haben."
Es ist schade, dass gute Geschichten oft so bitterböse ausgehen müssen, aber wenn man miteinander nicht mehr gut Kirschen essen kann, dann sollten manche Pfade definitiv auseinandergehen. Dein Pfad ist jetzt SPIRIT DESCENT und der scheint mir links und rechts von leuchtenden Blütenpflanzen und monströsen Kreuzen eingerahmt zu sein. Kläre uns bitte über die Entstehung und die Bandwerdung auf.
"Ich habe im Prinzip dort angefangen, wo ich mit Cold Embrace zuletzt aufgehört habe, beim traditionellen, epischen Doom. Bei CE wurde die Viking-Thematik im Laufe der Zeit immer dominanter und musikalisch ging es eher in die Doom-Rock-Richtung, zumindest bis zur aktuellen Scheibe, auf der sogar ein Drone-Song vertreten sein wird.
SPIRIT DESCENT stehen eher für die "Doomklassik". Ich hatte nie im Sinn, das Slo-Mo-Rad neu zu erfinden, sondern einfach nur meine Erfahrungen und Emotionen musikalisch zu bebildern. Als ich die ersten Demosongs an Jan weitergegeben habe, war er sofort begeistert, denn er war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung, nachdem sich seine alte Band Deceptive Silence aufgelöst hat. Ich war schon damals von seiner professionellen Herangehensweise an die Ausarbeitung seines Gesangs sehr angetan und wusste, wenn ich mal was Eigenes aufziehe, ist er der richtige Mann am Mikro!
Guido ist erst zu den Aufnahmen zu uns gestoßen, ein komplett bekloppter Drummaniac, der eigentlich eher aus der progressiven Ecke kommt, wobei ihm Langsamkeit aber nicht fremd ist. Jojo, der einige der Soli übernommen hat, ist ebenfalls ein brillanter Musiker. Nun könnte man natürlich frotzeln: 'Der Herr Libera hat sich für seine Scheibe nur Freaks herangezogen!' Aber mal im Ernst, wenn Du die Chance hast, mit guten Leuten zu arbeiten und da auch noch eine intensive, doomige Verbindung draus wird, why not ? Man muß sehen, wie es nun weitergeht. 'Doominion' ist im Kasten, die letzten Mixdetails werden geklärt. Dann wird sich zeigen, wer wirklich mit dem Herzen dabei ist, denn das ist letzten Endes das Entscheidende."
Die Songs "Land Of Tears", "Path Of Doom" und "A New Dawn" gab es bereits auf eurer Demo zu Beginn diesen Jahres zu hören. Hast du die anderen sechs Titel von "Doominion" auch im Alleingang geschrieben?
"Ja, alle Songs stammen aus meiner Feder. Wie gesagt, ich war wie besessen und es wurden ja, wie Du weißt, noch 2 weitere aufgenommen."
Oh ja, das weiß ich! Das, was ich bisher gehört habe, macht die die Zeit bis zum Release nicht wirklich kürzer. Wann ist es denn nun endlich soweit?
"Das wüsste ich auch gern. Ich kann die Scheibe leider nicht in Eigenregie rausbringen. Das lassen die Finanzen nicht zu und für Promotion bei Labels sieht es zeitlich bei mir momentan ganz übel aus, da ich einen Intensivkurs in Sachen Videoproduktion besuche und ich einer von 2 Leuten bin, die sich mit Musik und Ton auskennen. Alle anderen fragen mich schon immer, ob ich nicht was für sie komponieren könnte oder wollen wissen, wie die Software funktioniert, mit der sie arbeiten und so weiter. Jan nimmt mir allerdings einen guten Teil der Arbeit ab, so dass ich mal denke, dass es Anfang 2010 soweit ist. Du weißt ja, im Doom ticken die Uhren langsamer. Letzten Endes stehen wir ja auch nicht unter Druck. Die Musik von Spirit Descent ist doch recht zeitlos und muss nicht wie irgendein trendorientierter Metalcore-Bullshit sofort auf den Markt, weil der Trend ja morgen abebben könnte (im Falle Metalcore hoffe ich, dass genau das passiert, ich kann dieses uninspirierte Geheule und Gekreische von Emokids, die aussehen wie Banker einfach nicht mehr ertragen)."
Wie bereits gesagt, habt ihr das Material für das geplante Album fertig im Kasten. Wo habt ihr aufgenommen?
"Die Drums,Leads und Vocals haben wir im Rosenquarz-Tonstudio aufgenommen, trotz aller Differenzen bei CE ist Michael Hahn ein sehr guter Producer und das Studio ist bestens ausgestattet, zudem haben wir dort Bands wie Warning, The River und Lamp Of Thoth aufgenommen. Außerdem befindet sich das Studio direkt vor der Haustür. Es war also naheliegend, dort die entsprechenden Parts einzuspielen. Die Gitarren sowie den Bass habe ich bei mir in meinem inzwischen nicht mehr ganz so kleinen Heimstudio aufgenommen, meistens in der Nacht, ganz in Ruhe und völlig ungestört. Zumindest bei 'Doominion' war und ist es mir schon wichtig, die Kontrolle über den Sound zu behalten, weshalb ich das Album selber abmische, natürlich nicht, ohne auf die Vorschläge meiner Bandkollegen einzugehen!"
Wenn ich richtig zähle, dann werden ein Intro und acht Songs auf "Doominion" zu hören sein. Meine absoluten Favoriten sind der gediegen rollende Opener "Greed", das schleppende und sowohl ur-Cathedral-ischen als auch den Warning-Hymnen ins nichts nachstehende "Land Of Tears", "In Hatred" als verhältnismäßig groovig riffendes Stück, natürlich "The Path Of Doom", das verträumte und gleichzeitig hoffnungsvolle "A New Dawn", "Of A Nation Forlorn" mit all seiner Pathetik und last but not least "Stranger On Earth", welches meine Doom-Seele auf akustisch-minimalisierende Weise in Sicherheit wiegt. Vom aus der Wertung fallenden Intro mal abgesehen weist nur "Demon" zwischen den Vocalparts leichte Überleitungsschwächen auf. Woher beziehst du nur deine Inspiration beim Komponieren?
"Wenn ich neue Songs schreibe, geschieht das niemals nach dem Motto: 'Ich muss jetzt aber kreativ sein!' Es gibt Phasen, da bin ich einfach nicht in der Lage, ein Instrument auch nur anzusehen, weil nur Mist dabei rumkommen würde. Dann aber gibt es Zeiten, in denen ich nichts anderes machen kann, außer zu komponieren. Es sprudelt dann einfach aus mir raus, bzw. die Riffs strömen mir tonnenweise aus den Fingern. Dabei vermeide ich es innerhalb dieser Kreativschübe, mich mit anderen Bands zu beschäftigen, sprich, wenn ich in dieser Zeit Musik höre, dann höchstens Mal einen guten Soundtrack oder klassische Musik, um zu vermeiden, dass dieser 'klingt wie XY'-Effekt entsteht. Interessant ist übrigens, dass das Grundriff von 'Land Of Tears' schon 10 Jahre alt ist und mal für Cold Embrace gedacht war, aber als langweilig und uninspiriert abgelehnt wurde. 'Demon' lebt vom Gesang, ganz klar, ist auch der einfachste Song auf der Scheibe. 'A New Dawn' ist dem Menschen gewidmet, dem ich soviel zu verdanken habe und 'The Path Of Doom' eine kleine Abrechnung mit der Vergangenheit. 'Of A Nation Forlorn' und 'Stranger On Earth' sind an sich schon kleine Werke, da habe ich einfach kein Ende gefunden und Jan hatte viel Raum für sein lyrisches Konzept, und glaube mir, der Mann macht sich wirklich Gedanken, wenn er Texte schreibt. 'In Hatred' ist in der Tat recht groovig geworden, die erste Fassung war viel langsamer, doch der Drive steht dem Song schon ganz gut zu Gesicht. 'Greed' war von Anfang an der perfekte Opener, da in diesem Song quasi alles enthalten ist, was das Album ausmacht. Ursprünglich gab es noch 'Friend To Foe', der allerdings von vorn herein mein Sorgenkind war. Du kennst den Song und weißt, was ich meine. 'Veracity' als Tribut an die alten NWOBHM-Recken darf nicht unbeachtet bleiben und findet deshalb seinen Weg auf das Album."
Ich fiebere dem Tag der Veröffentlichung, wann immer der auch genau sein wird, schon entgegen und hoffe, dass ihr vielleicht schon vorher den einen oder anderen Gig spielt. Ist da schon irgendetwas geplant?
"Leider nicht. Ohne feste Besetzung ist das etwas schwierig, denn wie es ausschaut, fehlt uns auf jeden Fall noch ein Gitarrist. Ob Jojo letzten Endes dabei bleibt, ist auch fraglich. Motiviert ist er, sehr sogar, aber als freiberuflicher Servicetechniker in Bremen unterwegs.
Der Kern von SPIRIT DESCENT sind Jan und ich, das steht schonmal fest und Guido ist der dritte Mann im Statte. Aber die Gitarrenfront ist leider noch nicht stabil, über 6 Arme verfüge ich unglücklicherweise auch nicht. Aber wie gesagt, wir haben Zeit!"
Du bist momentan also auf der Suche nach einem (oder zwei) interessierten und qualifizierten Gitarero(s). Was sollte der- oder diejenige denn mitbringen, um bei SPIRIT DESCENT dauerhaft Fuß zu fassen?
"Motivation und das Gespür für Doom, dabei ist es mir völlig egal, ob derjenige aus Timbuktu kommt oder aus der Antarktis, was zählt, ist das Herz und die Leidenschaft, nun gut, ein gewisses technisches Können sollte auch vorhanden sein, aber ich habe keine Lust auf Leute, die sonst aus der Highspeedfraktion kommen und denken, langsam spielen sei leicht und sich auf Grund dessen bei mir melden. Ich würde mir auch ein gewisses Alter wünschen, Ü30 wäre schön, ist aber kein Muss, denn wir sind ja schon 3 alte Säcke!"
Wie das eben so ist: "Je oller, um so doller...!" Für mich trifft das, zumindest was den Doom angeht, genauso zu. Dann bleibt mir an dieser Stelle nur noch, dir für dieses informative Gespräch zu danken und dass du uns bereits jetzt so viel über das geplante Album-Debut von SPIRIT DESCENT verraten hast.
"Gern geschehen, hat mir Spaß gemacht und die Zeit habe ich mir wirklich gerne genommen! DOOM !!!"
fotos: Spirit Descent